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Dr. Borggreve entdeckt die Bevergern`sche Erde zur Blutstillung

Dr. Friedrich Borggreve, von 1832 - 1863 Arzt in Bevergern, entdeckte die damals bekannte "Bevergern`sche Erde", die zur Blutstillung verwendet wurde
und wohl sehr erfolgreich war.


von Franz Winter

Hier eine der Beschreibungen, die sich in der Literatur findet:

Tagsberichte über die Fortschritte der Natur-und Heilkunde
von Dr. Robert Froriep, Weimar 1852

Die Bevergern'sche *) Erde, ein neues blutstillendes Mittel.

von Dr. Brosius d. j., prakt. Arzte zu Burgsteinfurt.

Wenn ich nicht irre, verdanken wir das Bekanntwerden dieses schönen blutstillenden Mittels der Mittheilung des Hrn. Dr. Borggreve zu Bevergern. Im vorigen Jahre schrieb er an den Hrn. Apotheter I. König hierselbst über die blutstillende Erde Folgendes: «Sie schwitzt auf einem niedrigen, ganz sterilen, durchaus flachen Sandboden hervor; einen Fuß unter dieser Sandlage ist eine zwei Zoll dicke Thonlage; etwas mageres Schilf und die Salsola Kali wächst hier und da, sonst ist der Boden ganz ohne Vegetation."

Die styptische Erde ist ein graugelbes, ziemlich feines, manchmal sich ballendes, etwas feuchtes Pulver; sie riecht schwach nach salzsaurem Eisen, schmeckt anfangs säuerlich, hinterher tintenartig; die Schleimhaut des Mundes schrumpft etwas zusammen. In kaltem und warmem Wasser ist das Pulver zum großen Theile löslich; eine braunrothe körnige Masse senkt sich bald zu Boden und das überstehende Wasser hat nur eine ganz schwache Färbung angenommen; die Auflösung röthet das blaue Lakmuspapier.

Nach der Angabe des Hrn. Dr. Borggreve besteht das hämostatische Pulver aus Chlornatrium, vielem salzsaurem Eisen, schwefelsaurer Thonerde und Thonerde und ist durch das Aufscharren mit Sand vermischt; Hr. Apotheker König fand außer diesen Bestandtheilen noch Mangan und Kalk; durch Trocknen verlor Zß(?) des Pulvers serup. ij. Künstlich hat Hr. König ein blutstillendes Pulver hergestellt aus Liq. Ferri sesquichlorati Bolus Armen.; dieses soll in seiner Wirkung eben so kräftig sein, als die natürliche bei Bevergern sich findende Erde.

Nach der chemischen Analyse und den physicalischen Eigenschaften gehört diese Erde zu den adstringirenden Mitteln. Dr. Borggreve bemerkt, daß dieselbe mit dem Blute, wenn sie trocknet, eine durchaus feste Masse bildet, welche sich mit den Muskelfasern und wahrscheinlich mit den Arterienenden fest verbindet und erst durch die Eiterung abgestoßen wird. Da ich die Verwundungen, bei denen ich die Bevergern'sche Erde anwandte, nur einmal bei ihrem ersten Verbände sehen und bis jetzt noch keine Versuche an Thieren anstellen konnte, so weiß ich über jene Beobachtung des Dr. Borggreve nichts zu sagen. Nur Folgendes habe ich außer der wahrhaft blutstillenden Kraft des Pulvers erfahren. Ich nahm zwei blecherne kleine Gefäße, in deren eines ich etwas von der genannten Erde (mit warmem Brunnenwasser vermengt) hineinschüt-

*) Bevergern liegt im Riegierungsbezirke Münster nahe der hannoverschen Grenze.

tete. In beide Becher ließ ich das Blut eines Schweines, welches gerade geschlachtet wurde, unmittelbar hineinströmen. In dem Becher mit der styptischen Erde nahm das Schweinsblut sogleich eine dunklere Färbung an, wodurch es sich von dem anderen Blute deutlich unterschied. Nach einer halben Stunde, während welcher beide Gefäße mit dem Blute der Atmosphäre ausgesetzt ruhig gestanden hatten, war in dem unvermischten helleren Blute ein deutlicher Blutkuchen im Serum schwimmend zu bemerken; in dem anderen Gefäße dagegen bildete das mit der styptischen Erde vermengte Blut keinen Kuchen; es bestand aus einer zusammenhängenden, schwarzbraunen, gelatinösen Masse, die den Wänden des blechernen Behälters fest adhärirte; weder durch gelindes Schütteln trennte sich die Masse, noch entfiel sie dem Gesäße, wenn man dieses umstülpte. Beim Herausnehmen derselben fand sich kein Serum auf dem Boden des Bechers. Auf dem Kuchen des untermischten Blutes war die von dem atmosphärischen Sauerstoffe oxydirte oberste Blutschicht schön hellroth, auf der gelatinösen Masse war die oxydirte Schicht dunkler roth; übrigens waren beide Schichlen von gleicher Dicke und an den Rändern hier und da gezackt. Ein zweiter Versuch mit dem Blute eines anderen Schweines gab dieselben Resultate. Ich muß übrigens bedauern, die beiden Blutarten nicht länger aufbewahrt und ihr ferneres Verhalten beim Trocknen, Faulen u. beobachtet zu haben. Ich sollte glauben, daß das durch die styptische Erbe veränderte Blut länger der Fäulniß widerstehe.

Meine beiden Versuche mit dem Schweinsblute scheinen Dr. Borggreve's Beobachtung zu bestätigen, nach welcher sich aus der hämostarischen Erde und dem Blute eine Masse bildet, welche den Muskelfasern und Arterienenden sich fest anlegt. Übrigens ist diese Verklebung, Verkittung der verwundeten Gefäße, wenn sie wirklich eintritt, nicht die erste und die Blutstillung zuerst bedingende Wirkung der Bevergern'schen Erde; durch die Application des Mittels wird die Blutung sogleich und zu schnell zum Stehen gebracht, als daß man dieses der erst später eintretenden Verklebung zuschreiben könnte. Zuerst wirkt wohl unser Mittel nach Art der Adstringentien, durch organische Zusammenziehung der Gefäßhäute; denn augenblickliches Aufhören der Blutung ist die Folge der Anwendung des Pulvers; die Verkittung der Gefäßenden durch die trocknende Masse sichert sodann die Blutstillung.

Man bedient sich des einfachen Pulvers oder der Scharpie, die damit gepudert, oder des kalten Wassers, worin dasselbe aufgelös't ist. Zum inneren Gebrauche wäre die Auflösung jedenfalls zu filtriren. Ich konnte mich bisher der Auflösung nicht bedienen.

Nach dem Gefechte bei Durlach während des Feldzuges in Baden wurde ein am Kopfe verwundeter Freischärler zu uns gebracht. Der Hr. Bataillonsalzt Dr. Wesch aus Warendorf verband ihn, ließ mich aber nach einiger Zeit rufen mit der Bitte, das blutstillende Pulver mitzubringen. Die Wunde, fast 3" lang, lief über das Hinterhauptsbein und den Hinteren oberen Winkel des os bregmatis; sie war durch die umschlungene Nath geheftet; der Theil des Kopfes war stark geschwollen und gewölbt, wodurch die Verbandfäden sehr gespannt wurden.

Zwischen den Wundrändern hindurch spritzte ein größerer Ast der occipitalis. Ich schnitt die Nath wieder auf und entleerte die Wunde von dem Blutgerinnsel, worauf ich bemerkte, daß der Säbelhieb, welcher die Kopfbedeckungen gespalten, auch mehrere Linien tief in den Schädel gedrungen war. Fast eine Stunde lang, versicherte mir Dr. Wesch, habe er sich vergebens bemüht, die Blutung dauernd zu stillen; der Blutverlust war beträchtlich, der Verwundete zitterte und empfand anhaltendes Frösteln, sein Gesicht war blaß und bot einen traurigen Anblick dar; der Puls war klein und häufig. Da es mir bei schlechter Beleuchtung nicht gelang, die fortwährend spritzende Arterie zu fassen, so puderte ich einen Ballen Scharpie durch und durch mit der Bevergern'schen Erde und drückte ihn in die gereinigte Wunde, deren Ränder ich der Scharpie andrückte. Augenblicklich hörte das Spritzen der Arterie und die Blutung aus der Knochenwunde auf; die Wirkung des Pulvers in diesem Falle war nicht weniger frappant als erfreulich. Der Kranke schlief die Nacht über gut und ging am anderen Morgen in die Behandlung der Lazarethärzte über.

Schon einige Tage früher hatte ich in dem Bade Langenbrücken, wo unter dem Transporte der Gefangenen mehrere Verwundete sich befanden, die blutstillende Wirkung des Mittels erfahren. Bei einem Gefangenen fand sich eine kleine Stichwunde am Hinterkopfe, aus der eine unbedeutende Arterie sichtbar genug spritzte; nur eine Prise der Bevergern'schen Erde in die Stichwunde gestreut, reichte hin, um der allerdings geringen arteriellen Blutung auf der Stelle Einhalt zu thun. Auch Dr. Borggreve schreibt, daß ihm bei Arterienblutungen, wo sonst alle styptischen Mittel unzuverlässig seien, jenes Pulver oft vorzügliche Dienste geleistet habe; er sagt ebenfalls, daß es bei Stichwunden ein gutes Mittel sei. Ferner schreibt er in einem Briefe an Hrn. Apotheker König, daß ihm eine Auflösung des Pulvers bei Mutterblutungen, eingespritzt und innerlich genommen, oft genützt habe. In einem anderen Briefe sagt er: „Bei einer Blutung aus einer Zahnhöhle that sie mir herrliche Wirtung. Eine concentrirte und filtrirte Auflösung bei sonst nicht zu stillendem Nasenbluten eingespritzt, hilft mir immer auf der Stelle."

Es ist zu wünschen, daß Dr. Borggreve, der viele und wichtige Erfahrungen über die hämostatische Erde gemacht zu haben scheint, diese bald veröffentlichen möge. Er hat eine Partie des Pulvers dem Vereine für Heilkunde in Berlin zugeschickt; auch von Düsseldorf aus sind Anfragen an ihn ergangen; vielleicht sind schon von dieser Seite aus, während ich dieses schreibe, weitläuftigere Mitteilungen über das neue blutstillende Mittel bekannt geworden. Sehr beweisend find auch die Erfahrungen des Hrn. Apothekers König hierselbst. Bei einer von vorn nach hinten durch die Kuppe des linken Daumens gehenden beträchtlichen Wunde, aus der mehrere kleine Arterien spritzten, wurde die Blutung sofort durch Einstreuen der Erde gehemmt. In einem zweiten Falle, wo durch ein Brotmesser die Spitze eines Fingers sammt einem Theile des Nagels abgeschnitten war, ließ Hr. König den Stumpf in eine Auflösung der Erde tauchen und im Augenblick stand die Blutung. Nor einigen Tagen stillte er mit dem Pulver sehr schnell die heftige Blutung aus einem geborstenen varix am Unterschenkel einer Frau.

Ich habe es nicht für überflüssig gehalten, dem Hrn. Geh. Ralh Professor Wutzer eine Partie der Bevergern'schen Erde zu übersenden. Seine klinische und poliklinische Wirksamkeit wird ohne Zweifel die Quelle ausgedehnter Erfahrungen über jenes Mittel sein, und die Mitheilung derselben wird uns jedenfalls nicht vorenthalten werden.

Sobald ich neue Gelegenheiten zur Erprobung des Mittels gefunden und die beabsichtigten Versuche an größeren und kleineren Thieren angestellt haben werde, werde auch ich so viel möglich dazu beitragen, den Ruf des herrlichen Mittels zu erhalten und zu erhöhen.

 
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