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Die Marketenderin von 1812

Die Marketenderin von 1812
 Bildquelle aus: De Marketenderin von Achteinhunnerttwiälf von F. Kolck, 1929

"Zu Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts feierte Rheine sein erstes Kriegerfest; das Datum ist nicht mehr zu ermitteln. Wilhelm Sträter „vom Hof" führte als Kürassieroffizier in schimmernder Uniform hoch zu Roß den Zug der mit Eichenlaub bekränzten Krieger im Schmuck ihrer Orden. Die Kapelle der Dreizehner aus Münster stellte die Musik bei dem Festzug durch die engen, aber reichgeschmückten Straßen unseres Städtchens.  
Es lebten noch drei Veteranen aus der Franzosenzeit, die in einem Kutschw
agen den würdigen Schluß der Siegesparade bildeten. Wir wollen uns diese drei Ehrengäste einmal etwas näher ansehen. Weil die heutige Aufnahme mit Blitzlicht noch im Schoße der Zukunft schlief, müssen wir uns mit schlichten Worten begnügen.  
Der älteste war weiblichen Geschlechts, hatte weder Säbel noch Muskete ge
hrt, sondern 1812 den Zug Napoleons nach Rußland als Marketenderin mitgemacht. Es war Frau Ladenkötter, oder wie man sagte, „de aolle Ladenküötterske", welche den Brand von Moskau gesehen hatte und gesund über die Beresina in die Heimat zurückgekommen war. Wenn sie auch keine Waffen getragen hatte, hielt sie es doch für ratsam, den Rückzug in der Uniform eines französischen Korporals mitzumachen und erst in Deutschland wieder die Kleidung ihrer Geschlechtsgenossinnen anzulegen. Von ihrem Mann ist uns nichts bekannt; wir dürfen vermuten, daß er ein Soldat der „Großen Armee" war, der auf den Eisfeldern Rußlands sein Grab gefunden hat. "

So schreibt es Franz Kolck in "Rheine im Wandel der Zeiten" S. 219 - 221. Den ganzen Text können sie 
hier  lesen.

Franz Kolck hat in seiner "Erzählung aus schwerer Zeit": De Marketenderin von Achteinhunnerttwiälf, Een Vertellsel ut swaorer Tied, A. von Koprzynski Verlag, 1929, die Erlebnisse dieser Frau in eine erfundene Geschichte eingebettet.

Wer war diese Frau? Wie hieß sie genau? Wann ist sie geboren, wann verstorben? 

Gibt es noch weitere Quellen, Erzählungen und Berichte? Welche Quelle(n) benutzte Kolck?

Wenn man alle Ausschmückungen weglässt, dann bleiben folgende "Fakten" (wobei Kolck keine Quellen angibt):

·       Frau Ladenkötter (de aolle Ladenkuöttersche)  
·      
ist beim Kriegerfest in Rheine (1871 oder Jahre später) 
·       eine von 3 Veteranen in der Ehrenkutsche
·      
die den Russlandfeldzug von 1812 mitgemacht haben
·       soll ihren Mann (bzw. Verlobten) auf dem Feldzug begleitet haben  

Was lässt sich im Stadtarchiv Rheine zur Lösung der Fragen finden?

Spur 1:
Für Rheine sind Listen von Wehrpflichtigen aus dem Jahre 1810 und 1813 erhalten. 1810 wurden 51 Personen gemustert.
Unter den Wehrpflichtigen von 1810 ist der Schmied Christian Ladenkötter.

Aus der Konskriptionsliste von 1810:
Christian Frans Ladenkötter, * am 4.Julius 1790, Sohn des Joan Henrich Ladenkötter und der Anna Gertrud Gerbracht, leben beyde, wohnhaft in der Bauerschaft Bentlage, Canton Rheine Dapartement der Lippe gebohren zu Rheine Canton Rheine Departement der Lippe, schwärzliche Haare dito Augenbrauen, graue Augen, erhabene Stirn, Nase klein, großer Mund, Kinn klein, längliches Gesicht, Gesichtsfarbe gesund, etwas pockennarbig. Größe: 5 Fuß, 4 ½ Zoll, 1 Strich. Schmied in Borghorst, Vater Ackersmann in Steinfurt. 
Zusatz: Derselbe stellte sich den 13. September und ließ sich einschreiben, er wohnt seit 5 Monathen bey dem Schmidt Schwarzte in Borghorst 
Nr. 19 der alphab. Liste, den 18. Jan. 1812 zum activen Dienst aufgefordert und quartiert.

Am 20.6.1779 oo (der Salinenarbeiter) Joann Henrich Ladenkötter und Gertrud Gerbracht (Herbracht).
Kind Christianus
Franciscus ist am 4.7.1790 *  in Bentlage.
Eltern sind Joan Henrich Ladenkötter u. Anna Ge(r)drut Herbracht  

Am 11.5.1817 aufgeboten und nach Osnabrück entlassen:

Frans Christian Ladenkötter in Rheine u. Maria Elisabeth Bruns Wittwe Linop.

Damit ist der Schmied (und Ackersmann) Christian Ladenkötter "vergeben", und - falls er überhaupt am Rußlandfeldzug teilgenommen hat - heil wieder zurückgekommen. Also nicht der gesuchte Ehemann.


Spur 2:

Die Ladenköttersche könnte eine geborene Ladenkötter sein. F. Kolck schreibt Seite 218 in seinem Aufsatz "Die Napoleonische Zeit",

ebenfalls aus "Rheine im Wandel der Zeiten", dass sie 1812 ihren Verlobten nach Rußland begleitet hat.

Eine Schwester des Christian Ladenkötter (der Schmied, siehe oben) wird am 2.4.1793 (in Bentlage) als Anna Catharina Elisabeth geboren.

Eltern sind Joan Henr: Ladenkötter und Ge(r)trud Herbracht (auch Gerbracht)

Vater war Salinenarbeiter in Bentlage.

Sie war die jüngste von 7 Kindern.


Aus dem Zivilstandsregister Rheine:

Am 16.2.1811 oo die Jungfer Anna Catharina Ladenkötter, in der Bauerschaft Bentlage wohnend, (Trauregister der Kirche: 12.1.1811), * am 2.4.1791 (richtig ist 1793), den Kötter Johann Theodor (sonst auch Everhard genannt) Schürmann, * 16.10.1781. 

Ihre Eltern sind der Salzsieder Johann Henrich Ladenkötter und Anna Gertrud Herbracht.

Im Kirchenbuch fehlen die Angaben 1811.

 

Im Häuserbuch Wadelheim 39 (früher 25) als Catharina Ladenkötter, * 1793 und + 1872.

Ehemann ist der Kötter Everhard Schürmann.

Am 29.7.1872 + Catharina Ladenkötter, Witwe des Heuermanns Everhard Schürmann in Wadelheim, mit “82“ Jahren an Wassersucht. Sie hinterlässt 5 großjährige Kinder.

   

Damit ist auch diese Frau "vergeben" und kann nicht die gesuchte Marketenderin sein. Sollte Franz Kolck sich den Namen "Ladenkötter" nur ausgedacht haben? Dann wird die Suche noch komplizierter.

Meldungen an: winter@rheineahnen.de

                            
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